RoboJudge? Nein Danke

von Dr. Christian Naundorf

Nachdem der Anwaltschriftsatz flächendeckend elektronisch eingereicht werden kann, und ab 1.1.2022 eingereicht werden muss, fragen sich manche, warum man nicht gleich noch einen Schritt weitergeht und seinen Inhalt in eine "zum Anspruch passende" Datei eintragen lässt. Dann soll die Gegenseite dazuschreiben, was sie dazu oder dagegen vorzubringen hat - so könne der ausufernde, sich wiederholende und ungeordnete Parteivortrag "strukturiert" werden und alles wäre viel einfacher, schöner, übersichtlicher.

Heilige Einfalt - meint Dr. Naundorf: denn die so schlicht gestrickten Fälle, in denen überhaupt nur eine Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, sind zum einen selten und bekommt das Gericht zum anderen auch so schnell in den Griff. Wenn die Frage ist, hat der eine den anderen gehauen oder nicht, müssen die Beweise erhoben werden, da hilft dann auch kein "Basisdokument" - Aber überall sonst verlagert sich der Streit doch bloß nach vorn dahin, ob ein "Raster" überhaupt einschlägig ist; Schlagwort: Hermeneutischer Zirkel.

Dafür ist das Leben zu bunt und sind der Grenz- und Zweifelsfälle zu viele, als dass man "einfach nur" eine Maske befüllen bräuchte, um einen Anspruch zu erwirken oder eine Abweisung zu kassieren.

 

Neue Juristische Wochenschrift (NJW) Heft 29/2021, S. 10

 

Anmerkung: Dass IT-Dienstleister für IT-gestützte juristische Anwendungen werben, überrascht nicht - Horwath, IT-Special der NJW in Heft 25/2021, S. 26. Dass auch langjährig erfahrene Vorsitzende Richter es tun (Streyl, NJW Heft 8/2021, S. 3), dagegen schon: denn es ist doch klar, dass das nur der Einstieg in die Richterabschaffung ist. Den "gerasterten" Fall kann dann bald auch die KI "entscheiden". Aber wer will das denn? Also ich will das nicht - s. "Grundsätzliches", letzter Absatz.

Vergleiche zu den katastrophalen Folgen einer Abgabe der Entscheidungsfindung und -verantwortung den unfaßbar hellsichtigen Roman "Salomon 76" - im  Jahre 2076 überträgt die Menschheit kollektiv alle Polizei- und Justizarbeit einem über alle Daten verfügenden Zentral-Computer - von Mark Brandis (d. i. Nikolai von Michalewsky), Verlag Herder, 1974 (!) - aus einer Zeit also, als gerade erste höhere Programmiersprachen erfunden und Prozessoren- und Speicherkapazitäten in Bytes, nicht in Tera-Bytes angegeben wurden, Mobiltelefone unbekannt und heutige Datenverarbeitungs- und Speichermöglichkeiten noch nicht einmal im Umriss zu erahnen, Konzepte von "Künstlicher Intelligenz" (AI) reine Theoriegebilde waren. Es resultiert hieraus schon dem Begriffe nach und damit logischer und zwingender Weise: Un-Menschlichkeit.