Eins, zwei, drei - beleidigt sei!

von Dr. Christian Naundorf

Kann man "die Polizei", "die Justiz", "die Richter", "die Anwälte", "die Kirche", "die Armee" beleidigen?

Vor über 20 Jahren hob das Bundesverfassungsgericht gleich vier Entscheidungen auf, in denen das Tucholsky-Zitat "Soldaten sind Mörder" (1931) auf einem Bettuch, einem Flugblatt, einem hochgehaltenen Banner bzw. im Leserbrief an eine Regionalzeitung jeweils als strafbare Beleidigung von Soldaten gewertet worden war. Die Frage, ob und wofür deutsche Soldaten eingesetzt werden (sollen), sei erörtert und nicht etwa ein Ehrangriff auf konkrete Einzelne verübt worden.

Zwei neue Entscheidungen hoben 2016 Verurteilungen wegen Gebrauchs der Parole "ACAB" auf. Sie riefen einen Professor auf den Plan, der in der NJW einen verbesserten Ehrenschutz von Berufsgruppen anmahnt, die für die Allgemeinheit arbeiten; der Polizei zumal. Dr. Naundorf hält dagegen: entscheidend ist, ob sich der Ehrangriff aus Sicht eines Außenstehenden auf "jemanden Bestimmtes" richtet oder auf das gesichts- und namenlose Kollektiv. Ersteres ist ggf. strafbar, letzteres nicht und sollte es auch nicht werden: über "die Beamten", "die Richter", "die Linken", "die Schwarzen", "die Roten" und sogar über "die Anwälte" soll man doch ruhig schimpfen dürfen - wenn und solange es allgemein bleibt. Anders, wenn nach dem Kontext das konkrete Gegenüber gemeint sein soll - der Mensch, mit dem ich gerade zu tun habe.

 

Naundorf, Dr. Christian: Erwiderung auf Rüthers, NJW 2016, 3337. Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 9/2017, S. 10.